Anspruch auf Sozialhilfeleistung für Klassenfahrten

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 04.06.2020, Aktenzeichen: L 7 AS 1992/19) hatte über den Fall einer Schülerin zu entscheiden, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht und Schülerin einer staatlich genehmigten Ersatzschule in freier Trägerschaft ist. Diese Schule veranstaltet regelmäßig in der Jahrgangsklasse 12 eine „Kunstbetrachtungsfahrt“.

Das beklagte Jobcenter hatte sich geweigert, die Kosten für die Klassenfahrt in Höhe von 1.000,00 € zu übernehmen mit der Begründung, dass die Fahrt nicht den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Nordrhein-Westfalen entspreche. Denn die „Kunstbetrachtungsfahrt“ entsprach zweifellos nicht den Anforderungen, die die Wanderrichtlinie des Landes NRW an Schulfahrten stellt, wonach bei einer Dauer der Schulfahrt von mehr als zwei Wochen der darüber hinaus gehende Teil der Schulfahrt in die Ferien gelegt werden muss, was vorliegend nicht der Fall war.

Dies fand das Landessozialgericht aber nicht überzeugend:

Die Wanderrichtlinie ist für Ersatzschulen nicht verbindlich. Bei Schulen in freier Trägerschaft steht die Schulgestaltung in Nordrhein-Westfalen unter Beachtung des Bildungsauftrags und der weiteren grundlegenden Aufgaben von Ersatzschulen der jeweiligen Schule eigenverantwortlich zu. Für Ersatzschulen gelten gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 SchulG NRW die übrigen Vorschriften des Schulgesetzes nur, soweit deren Gleichwertigkeit mit den öffentlichen Schulen es erfordert bzw. wenn und soweit dies ausdrücklich bestimmt ist. Angesichts der weitgehenden Gestaltungsfreiheit der Ersatzschulen sind inhaltliche Vorgaben zur zeitlichen Planung und Organisation einer Klassenfahrt nach den schulrechtlichen Bestimmungen in Nordrhein-Westfalen unzulässig. Die Gestaltungsfreiheit der Ersatzschulen findet nur dort ihre Grenze, wo es um die Einhaltung der für Ersatzschulen oder allgemein geltenden Rechtsnormen geht.

Unter diesen Prämissen – so das Gericht – habe die Schule mit der Ausgestaltung der „Kunstbetrachtungsfahrt“ ihre Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Außerdem spreche auch Sinn und Zweck der Sozialhilfebestimmungen für den Anspruch der Schülerin. Die Vorschrift des Sozialgesetzbuches solle nämlich die gleichberechtigte Teilnahme aller Schülerinnen und Schüler an den schulischen Veranstaltungen ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Eltern sicherstellen und Ausgrenzungen verhindern.

Ingo Krampen

Rechtsanwalt, Notar und Mediator

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