Kurios: Die Verweigerung des Handschlags ist Hinderungsgrund für die Einbürgerung

Das entschied der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (12 S 629/19, NJW 2021, Seiten 483 ff.) am 20. August 2020. Dieses Urteil mutet angesichts der besonderen gesellschaftlichen Verhältnisse durch die Corona-Pandemie recht merkwürdig an:

Der Kläger war im Jahre 2002 in das Bundesgebiet eingereist, mit dem Ziel, zu studieren. Mittlerweile ist er in Deutschland als Oberarzt an einer Klinik tätig. 2012 beantragte er seine Einbürgerung. Den sogenannten Einbürgerungstest bestand er mit der höchstmöglichen Punktzahl. Gleichwohl hatten die Behörden Zweifel, weil der Kläger Verbindungen zu einer sunnitisch-extremistischen Muslimbruderschaft hatte. Dennoch sollte ihm am 9.12.2015 die Einbürgerungsurkunde ausgehändigt werden. Als aber die zuständige Sachbearbeiterin im Landratsamt ihm zur Begrüßung die Hand geben wollte, verweigerte der Kläger dies mit der Begründung, er habe seiner Ehefrau versprochen, keiner anderen Frau die Hand zu geben. Daraufhin wurde ich die Urkunde nicht ausgehändigt. Dagegen erhob er Klage.

Nach § 10 Staatsangehörigkeitsgesetz hat ein Ausländer Anspruch auf Einbürgerung, wenn er seit mindestens acht Jahren im Bundesgebiet lebt und weitere Voraussetzungen erfüllt, die im Falle des Klägers unzweifelhaft vorlagen – mit einer Ausnahme: Der VGH sah die gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 1 erforderliche Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse nicht gewährleistet. Und hier bekommt nun der verweigerte Handschlag eine entscheidende Bedeutung. Denn dazu sagt das Gericht wörtlich:

In Deutschland sind Handschlag bzw. das Händeschütteln gängige nonverbale Begrüßungs- und Verabschiedungsrituale, die unabhängig von sozialem Status, Geschlecht oder anderen personellen Merkmalen der beteiligten Personen erfolgen und auf eine jahrhundertelange Praxis zurückgehen.

Für den Verwaltungsgerichtshof war außerdem noch von entscheidender Bedeutung, dass der Kläger sich das salafistische Gedankengut seiner Ehefrau zu Eigen gemacht habe und aus diesem Grund Frauen nicht die Hand gebe. Seine Einlassung im Prozess, dass er den Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau voll mittrage und sich mittlerweile dazu entschlossen habe, niemandem mehr die Hand zu reichen, war für das Gericht nicht glaubwürdig. Und auch die Tatsachen, dass der Kläger alle sonstigen Voraussetzungen für die Einbürgerung übererfülle und auch als Arzt von weiblichen und männlichen Kolleg*innen gleichermaßen hervorragende Beurteilungen erhalte, halfen ihm nicht. Der Verdacht des Salafismus wog wohl für den VGH zu schwer.

Im Ergebnis mag das Urteil richtig sein. Aber zumindest die Begründung, dass eine Verweigerung des Handschlags entscheidend für eine Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse sein soll, wirkt etwas unwirklich angesichts der Realität, dass wir uns nun schon seit März 2020 nicht mehr mit Händedruck begrüßen – Tradition hin oder her. Aber der VGH ist da optimistisch:

Aufgrund der langen geschichtlichen Tradition des Handschlags erachtet der Senat es für ausgeschlossen, dass die derzeitige Corona-Pandemie, die mit einer Vermeidung des Handschlags einhergeht, auf Dauer zu einem Ende des Händeschüttelns führt.

Na, hoffentlich behalten die hohen Richter Recht!

Ingo Krampen, RA und Mediator

(Quelle: NJW 2021, Seiten 483 ff.)

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