Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat jetzt auf Grundlage eines lange diskutierten Diskussionsentwurfes der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2018 einen Referentenentwurf erstellt, der derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird.
Der Gesetzentwurf ist u.a. dem Verein Fundare e.V., gemeinnütziger Verein zur Förderung des Stiftungswesens mit Sitz in Bochum, dessen Vorstand der Unterzeichner angehört, zur Kenntnisnahme und mit der Gelegenheit zu dem Gesetzentwurf noch einmal Stellung zu nehmen, zugestellt worden.
Von anderer Seite, etwa von Autoren des sog. „Professorenentwurfes“, ist der Gesetzentwurf heftig kritisiert worden: „Dieser Entwurf ist allerdings (wie schon der Diskussionsentwurf) in vielerlei Hinsicht rückwärtsgewandt, kontraproduktiv und handwerklich mangelhaft“ (npoR 6/2020, S. 294).
Der Bundesverband Deutscher Stiftungen (vgl. Stellungnahme www.stiftungen.org) ist in seinem Urteil zurückhaltender: „Der Bundesverband Deutscher Stiftungen begrüßt im Grundsatz den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechtes. Es bedarf dringend eines praxisnahen Gesetzes zur Reform des Stiftungsrechtes, welches den Stiftungen mehr Flexibilität einräumt und ein zukunftsorientiertes Stiftungswesen ermöglich“ (S. 1 der Stellungnahme).
Zu Recht weist der Bundesverband Deutscher Stiftungen darauf hin, dass Stiftungen im Wesentlichen der individuellen Ausgestaltung durch die jeweilige Stifterin und den jeweiligen Stifter überlassen werden sollten („Stiften ist, wie die Testamentsgestaltung, ein höchst individueller Akt“).
Unter diesem Gesichtspunkt hat der Bundesverband Nachbesserungen angemahnt, insbesondere soweit sie die Gestaltung der Satzung und deren Änderbarkeit betreffen.
Die Inflexibilität insofern ist nach Auffassung des Bundesverbandes ein Grund dafür, dass derzeit in der Öffentlichkeit breit diskutiert wird, ob eine neue Rechtsform, die Gesellschaft in Verantwortungseigentum, geschaffen werden muss. Dies ist in der Tat ein interessanter Aspekt: Es stellt sich die Frage, ob nach einer wirklichen Flexibilisierung des Stiftungsrechts stiftungsgetragene Unternehmensverfassungen möglich sind, die die Notwendigkeit einer eigenen Gesellschaftsrechtsform entfallen lassen würden. Der Weg dahin dürfte allerdings lang und steinig sein.
Der Verein Fundare e.V. hat bereits zu dem Diskussionsentwurf aus dem Jahr 2018 Stellung genommen (vgl. Axel Janitzki, Die aktuelle Entwicklung der Stiftungsrechtsreform – zugleich Stellungnahme des Vereins Fundare e.V., Die Stiftung, Jahreshefte zum Stiftungswesen, 12. Jahrgang 2018, S. 82 ff.).
Angemahnt worden sind flexible Regelungen zum Vermögenserhalt insbesondere in Bezug auf die Verbrauchsstiftung und die Umwandlung sog. Ewigkeitsstiftungen in Verbrauchsstiftungen, Erleichterungen bei organschaftlichen Satzungsänderungen und die Einführung eines Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung.
In seiner jetzigen Stellungnahme vom 29.10.2020 an das BMJV (nicht veröffentlicht) wird noch einmal darauf hingewiesen, dass die Anerkennungsvoraussetzungen für eine Verbrauchsstiftung (§ 82 S. 2 BGB – neu) praxisuntauglich sind. Jeder Rechtsberater im Stiftungswesen, der mit Stifterinnen und Stiftern zu tun hat, die ihre Stiftungen zeitlich begrenzen wollen, wird den Behörden bestätigen, dass diese Stifterinnen und Stifter sich nicht kalendermäßig auf einen Beendigungszeitraum festlegen wollen. Hier müssen somit allein das Merkmal der Bestimmbarkeit und ein Mindestzeitraum von 10 Jahren genügen („und sonst nichts“).
Wörtlich: „In der Praxis besteht ein erhebliches Bedürfnis und ein großer Wunsch nach solchen (relativ) variablen Zeiträumen, zumal es hierfür entsprechend prominente Beispiele gibt (Bill & Melinda Gates Foundation)“.
Auch in Bezug auf organschaftliche Satzungsänderungen besteht ein Nachbesserungsbedarf.
In seiner Stellungnahme zu § 85 Abs. 1 BGB – neu (Voraussetzungen für Satzungsänderungen) stellt Fundare e.V. fest:
„Bezüglich der Umwandlung einer Ewigkeitsstiftung in eine Verbrauchsstiftung unterliegt der Entwurf einem gedanklichen Irrtum: Die Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung ist kein Zweckaustausch, sondern eine Änderung der Art und Weise der Zweckerfüllung, die in Abs. 2 ja ausdrücklich angesprochen ist. Für eine Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung ist somit nicht der Maßstab der Unmöglichkeit anzuwenden, sondern der der wesentlichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse.“
Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob im Bundeskabinett eine gesetzliche Regelung verabschiedet wird, der ein „gedanklicher Irrtum“ attestiert worden ist.
Noch ein letzter Gesichtspunkt - weitere sind in der Stellungnahme enthalten – sei genannt:
- 85 Abs. 4 S. 2 BGB – neu (Voraussetzungen für Satzungsänderungen) enthält „Erleichterungen“ für Satzungsänderungen in der Errichtungssatzung:
„(4) In der Errichtungssatzung kann der Stifter Satzungsänderungen nach den Absätzen 1 bis 3 ausschließen oder beschränken. Satzungsänderungen durch Organe der Stiftung kann der Stifter in der Errichtungssatzung abweichend von den Absätzen 1 bis 3 erleichtern. Regelungen nach S. 2 sind nur wirksam, wenn der Stifter Inhalt und Ausmaß der Änderungsermächtigung hinreichend festlegt.“
In seiner Stellungnahme weist Fundare e.V. darauf hin, dass die Reichweite und der Umfang solcher „Erleichterungen“ völlig unklar bleiben. Ferner ist zu kritisieren – so auch der Bundesverband ‑, dass solche Erleichterungen nur in der Errichtungssatzung möglich sind („Das Gesetz sollte durch eine Übergangsregelung ergänzt werden, die die Möglichkeit bietet, die bestehenden Stiftungen einmalig unter erleichterten Voraussetzungen an das neue Recht anzupassen“).
Es dürfte rechtlich kaum haltbar sein, dass von neu zu gründenden Stiftungen flexible Regelungen in Bezug auf Satzungsänderungen vorgesehen werden können, diese Möglichkeit aber für Bestandsstiftungen nicht besteht.
Vieles ist an dem Gesetzentwurf aber auch zu begrüßen. So ermöglicht die Einführung eines Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung eine bisher nicht gekannte Transparenz. Eintragungen in das Transparenzregister erübrigen sich nach Einführung eines solchen Stiftungsregisters mit Publizitätswirkung.
Für Fundare e.V. gilt gleichwohl: „Das Bundesamt für Justiz, das gem. § 1 StiftRG – neu als Registerbehörde für die Führung des Stiftungsregisters vorgesehen ist, sollte ersetzt werden durch die bisher für Registersachen zuständigen Stellen. Ein Verweis von Streitigkeiten in Angelegenheiten des Stiftungsregisters auf den Verwaltungsrechtsweg erübrigt sich damit“.
Noch eine persönliche Fragestellung – bei aller Anerkennung der Kommunikationsbereitschaft der Mitglieder der Arbeitsgruppe und ihrer Bemühung um eine transparente Vorgehensweise – sei erlaubt: Warum tut sich die Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit notwendigen Flexibilisierungen so schwer? Besteht vielleicht doch ein Zusammenhang insofern als Individualisierung und Flexibilisierung zusätzlich Arbeit machen und von diesem Arbeitsaufwand die Mitglieder der Arbeitsgruppe betroffen sind, die ja zugleich überwiegend Mitglieder der Stiftungsbehörden sind? Der Gesetzentwurf legt ein zu großes Gewicht auf Vereinheitlichung und zu wenig Gewicht auf Flexibilisierung. Insbesondere sollte den verantwortlichen Stiftungsorganen vorbehalten sein, selbst zu beurteilen, wann eine „wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse“ vorliegt, die erfordert, die Stiftung zukunftsfähiger zu gestalten. Die Ermächtigung hierzu kann in der Errichtungssatzung vorgesehen sein, aber auch durch spätere Satzungsänderungen herbeigeführt werden, immer vorausgesetzt, dass der wirkliche oder mutmaßliche Stifterwille nicht entgegensteht.
Axel Janitzki,
Rechtsanwalt und Notar,
Fachanwalt für Erbrecht