Das Arbeitsgerichts Köln entschied mit Urteil vom 30.6.2021 (Aktenzeichen 15 Ca 4223/20), dass die Vergütung eines Waldorflehrers nach Haustarif der Schule rechtens sei. Der Lehrer, der seit 21 Jahren an der Schule beschäftigt ist und kurz vor dem Renteneintritt steht, war der Auffassung, seine Vergütung sei sittenwidrig zu niedrig. Er beanspruchte daher eine höhere Vergütung rückwirkend für zwei Jahre (2016 und 2017) und kündigte an, auch für weitere Jahre eine höhere Vergütung gerichtlich einzuklagen. Er hatte ein Geographiestudium mit zwei Nebenfächern mit einem Hochschul-Diplom abgeschlossen und das Lehrerseminar für Waldorf-Schulen als Oberstufenlehrer für die Fächer Geographie, Biologie und Chemie besucht. In diesen Fächern war er in der Oberstufe der Schule tätig. Zusätzlich hatte er seit 2005 eine Funktionsstelle an der Schule übernommen.
Aufgrund des Arbeitsvertrags richtete sich die Vergütung nach der Gehaltsordnung der Schule. Sie sieht die Vergütungselemente Grundgehalt, Erfahrungszulage, Kinderzulage sowie Sonderzulage (jährliche Ausschüttung der refinanzierten und durch Gehaltszahlungen an die refinanzierten Lehrkräfte noch nicht verbrauchten Finanzmittel) vor.
Die Refinanzierung der Personalkosten erfolgte unter Berücksichtigung einer Funktionsstelle nach TV-L.
Das Gericht urteilte, dass die Vergütung des Klägers für die streitigen Jahre 2016 und 2017 rechtmäßig war und führt dazu aus, dass die Vergütung des Klägers nicht sittenwidrig (§ 138 Abs. 2 BGB) sei. Zur Begründung stellt es fest, der Kläger wolle zwar die volle Refinanzierung nach TV-L „abschöpfen“, erfülle aber die Voraussetzungen für die Eingruppierung aufgrund der mangelnden Qualifikation nicht (nur ein Fach, kein Lehramtsstudium, kein Referendariat). Sittenwidrigkeit oder Lohnwucher lägen schon deshalb nicht vor, weil eine „verwerfliche Gesinnung“ des Arbeitgebers nicht zu erkennen sei. Das wiederum liege unter anderem daran, dass der Arbeitgeber die gesetzlichen Bestimmungen für die Gehaltshöhe der Lehrkräfte in NRW einhalte. Außerdem sprechen Konzept und Selbstverständnis des Arbeitgebers gegen eine verwerfliche Gesinnung, denn nach dem Selbstverständnis der Waldorfschule würden alle Lehrkräfte gleich vergütet, unabhängig von Qualifikation und Position. Unterschiede bestünden nur durch soziale Aspekte (Kinderzulage) und die Erfahrungsstufen. Das Lehrerkollegium sei an der Gestaltung der Gehaltsordnung sogar aktiv beteiligt. Unter all diesen Aspekten sei eine verwerfliche Gesinnung des Arbeitgebers oder ein sonstiger Grund für eine Sittenwidrigkeit der Vergütung nicht erkennbar.
Das Gericht führt weiter aus, dass die Vergütung auch nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig war (§ 134 BGB). Denn das Schulgesetz NRW verlange nur eine gleichwertige, aber keine gleiche wirtschaftliche Stellung der Lehrkräfte an Ersatzschulen gegenüber Lehrkräften an staatlichen Schulen. Die Ersatzschulverordnung und der Haustarif-Erlass füllten den Begriff der Gleichwertigkeit nur insoweit aus, dass sie eine absolute Untergrenze vorschreiben; mehr werde nicht geregelt. Die refinanzierten Lehrkräfte stünden in der wirtschaftlichen Stellung hinter den Lehrkräften an staatlichen Schulen nicht wesentlich zurück. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Personalkosten nicht zu 100 % refinanziert würden, sondern zu 87 % und die vollen refinanzierten Beträge durch das monatliche Gehalt und die Jahressonderzahlung an die refinanzierten Lehrkräfte ausgeschüttet werden. Weiter sei zu beachten, dass eine vergleichbare Schule kein Gymnasium wäre, sondern eine Gesamtschule, da der Arbeitgeber Schüler*innen ab Klasse 1 unterrichte. Insbesondere sei das Selbstverständnis des Arbeitgebers als Waldorfschule zu berücksichtigen, wonach eine gleiche Vergütung für alle Lehrkräfte, unabhängig von Qualifikation und Tätigkeit, gewährt werde. Denn nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Jahr 2006 sei selbst bei einer Unterschreitung der gesetzlichen Mindestvergütung zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber hierfür nachvollziehbare Gründe habe; diese nachvollziehbaren Gründe seien im vorliegenden Fall die Einheitsvergütung.
Mit diesem anwaltlich durch unsere Kanzlei erfochtenen Urteil wurde die Rechtmäßigkeit von Waldorf-Haustarifen, die eine gleiche Vergütung der Lehrkräfte, unabhängig von Qualifikation und Tätigkeit, und unabhängig von der konkreten Refinanzierungshöhe, vorsehen, bestätigt.
Das dürfte für viele Waldorfschulen im Lande von erheblicher Bedeutung sein.
Der Kläger kann gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht einlegen. Ob dies geschieht, bleibt zunächst abzuwarten.
Sandra Meinke, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Notarin
PS: Inzwischen ist das Urteil rechtskräftig!